Nach Jahren war es mal wieder soweit. Der große Belchensturm. Alle fünf Belchen hintereinander. Von der Schweiz über Frankreich nach Deutschland. Wir trafen uns um 9 Uhr in Laufenburg, 15 wild entschlossene auf 14 Motorrädern. Jürgen kam mit seiner brandneuen Honda CBR600 RR, Marc hat sich eine KTM 950 Adventure über das Wochenende zum Testen ausgeliehen. Nachdem alle vollgetankt hatten und auch die ohne Pass die Grenze passiert hatten, ging es gegen 9:30 Uhr endlich auf Tour. Der schweizer Belchen war schnell erklommen, und nach einer kurzen Kaffeepause ging es weiter Richtung Frankreich.

Nochmal Sprit fassen in Cernay, dann über den Col du Hundsrück zum Ballon d’Allsace. In Sewen, am Fuße des Ballon d’Allsace wurden wir von der Polizei auf eine Ausweichstrecke verwiesen, weil die Hauptstrecke wegen eines Autorennens noch bis 18:00 Uhr gesperrt war. Damit nahm das Unglück seinen Lauf. Auf einer schmalen, anfänglich gut ausgebauten Straße fuhren wir gen Gipfel. Plötzlich rutschte Ingolf auf einem breiten Streifen Splitt in der Mitte der Fahrbahn aus und stürzte schwer. Als Andi, Jürgen und ich angehalten hatten, war von Ingolf erst gar nichts zu sehen, denn er lag fast vollständig unter seiner Suzuki. Wir hoben das Motorrad auf, und Ingolf lag regungslos auf dem schmalen Seitensteifen, nur ein Meter von der steilen Böschung entfernt. Wir befürchteten das Schlimmste. Nach einigen, endlos erscheinenden Sekunden, röchelte Ingolf. Mittlerweile war auch Germar bei Ingolf, der als Sani im DRK über gute Erste Hilfe Kenntnisse verfügt. Ingolf war jetzt auch wieder ansprechbar, Germar versuchte herauszukriegen, was wo schmerzt. Vorsichtig nahmen wir den Helm ab, öffneten seine Jacke und zogen die Stiefel aus. Eine Sitzbank diente als Kopfstütze, ein Rückenprotektor spendete Schatten. Notruf per GSM war nicht möglich, weil das minimal vorhandene Netz beim telefonieren sofort wieder abriss. Andi hat ein entgegenkommendes Auto angehalten und und mit fast perfektem französisch den Autofahrer unterrichtet. „Amblulanz – Telefon“ – gut, dass diese Begriffe einigermaßen international sind. Während Germar feststellte, dass alle Gliedmaßen funktionieren, traf die örtliche Polizei und die Feuerwehr ein, die die grobe Erstversorgung einleiteten. Ca. 15 Minuten später kam der Krankenwagen. Der Arzt bestellte gleich einen Helikopter. Ingolf wurde von den Sanitätern auf einer Trage fixiert, um ihn mit dem Krankenwagen zur nächstmöglichen Landemöglichkeit für den Hubschrauber zu transportieren. Heike (gelbe VTR1000) versuchte unterdessen, den Abtransport der Suzuki durch den ADAC zu organisieren. Marc und Rebecca (Marcs Sozia) sollten bei Ingolf bleiben, bis er in den Hubschrauber gelegt wurde um zu dolmetschen oder anderweitig zu helfen, alle anderen trafen sich in einem Straßencafé in Sewen.

Während die zackige Bedienung ein Perrier Menthe nach dem anderen serviert, flog der Rettungsheli über uns, es konnte sich jetzt also nur noch um Minuten handeln, bis Ingolf ins Krankenhaus gebracht wird. Weit gefehlt, erst nach weit über einer Stunde kam  Marc bei uns an und erzählt uns die Neuigkeiten. Vorläufige Diagnose: Pneumothorax, Schlüsselbeinbruch, Fleischwunde am Knie, Prellungen. Ingolf ist auf dem Weg in die Uni Klinik nach Freiburg. Die Verzögerung kam durch die Versorgung des Pneumothorax vor dem Abflug zu Stande.

Vom Café aus trennten sich unsere Wege, da uns die Lust zum Weiterfahren vergangen war. In Müllheim angekommen konnten Jürgen und ich der Verlockung den deutschen Belchen zu stürmen dennoch nicht widerstehen, und so ließen wir einen traurigen Tag würdig ausklingen.

Einen Tag später berichtet Germar in der Mailingliste: Er hat sich 6 Rippen (alle links) gebrochen, was den schon gestern vermuteten Pneumothorax verursacht hat. Dann sind noch das Schulterblatt links und das linke Schlüsselbein gebrochen, und das Knie hat ein ‚Loch‘ (mehr weiß ich darüber nicht). Es wurde eine CT vom ganzen Kerl gemacht, die bestätigte, dass die Birne und die Wirbelsäule nichts abbekommen hat. Die Lungengeschichte wurde gestern Abend noch versorgt, allerdings nicht operativ, sondern irgendwie ‚von außen‘. Die Gräten sind nicht vergipst o.ä., sondern einfach nur ruhig gestellt. Ansonsten schaut Ingolf halt ein wenig angeschraddelt aus (Veilchen, Prellungen, etc.), aber das sieht schlimmer aus als es ist. Er fühlt sich halt noch recht mies, die Rippen tun wohl gut weh.

Der große Belchensturm 2004

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert